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Das Gesundheitssystem wirksam steuern: Verfassungsartikel und Bundesgesetz über die Gesundheit

Anfang Juni entscheidet das Stimmvolk über zwei Vorlagen zu den Kosten bzw. zur Kostentragung im Gesundheitssystem. Unabhängig davon, ob die Initiativen angenommen werden, bleiben grosse Herausforderungen ungelöst: alternde Bevölkerung, Fachkräftemangel, elektronisches Patientendossier etc. Für nachhaltige Lösungen brauchen wir ein neues Verständnis von Gesundheit und eine wirksame Steuerung des Systems. Als Grundlage dafür schlägt die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) einen Verfassungsartikel und ein Bundesgesetz über die Gesundheit vor.

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Die Gesundheitskosten sind eine grosse finanzielle Belastung für die Bevölkerung. Dies zeigt sich u. a. im «Sorgenbarometer» der Credit Suisse, das 2023 die Gesundheitskosten und den Anstieg der Prämien an erster Stelle führte. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass gleich zwei Vorlagen zur Kostensenkung bzw. zur Kostentragung im Gesundheitswesen zur Abstimmung vorliegen. Mit Kostensenkungen oder Prämienverbilligungen allein sind die Probleme jedoch nicht nachhaltig zu lösen.

Nationale Koordination und ganzheitliches Konzept
Eine Schwäche des heutigen Systems ist, dass dessen Steuerung durch Bundesrat und Parlament im Wesentlichen auf dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) basiert. Die heutige Aufgabenteilung sieht zu viele kantonale Kompetenzen vor, was die Umsetzung einer nationalen Gesundheitspolitik erschwert. Gewisse Herausforderungen verlangen nationale Lösungen, etwa der Fachkräftemangel oder die Digitalisierung des Gesundheitssystems. Auch während der Covid-19-Pandemie wurde deutlich, dass eine nationale Koordination zwingend nötig ist.

Gesundheit muss zudem als ganzheitliches Konzept im Sinne von «One Health» an der Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt verstanden werden. Es geht also um die Vernetzung vieler Bereiche, die mit dem Thema Gesundheit zu tun haben, etwa Luft- und Wasserqualität, Bio-diversität oder Lärmschutz. Damit verbunden sind Bestrebungen nach «Gesundheit in allen Politikbereichen» («Health in all Policies»). Dazu braucht es eine ganzheitliche Sichtweise und die notwendigen politischen Strukturen.

Föderalismus neu denken
Das Gesundheitssystem braucht eine wirksame Steuerung, die sich auf alle Akteure stützt, jedoch die Bundeskompetenzen stärkt. Der Föderalismus ist Teil der DNA der Schweiz und das soll auch so bleiben. Im Gesundheitsbereich bringt er jedoch diverse Nachteile mit sich: ein stark fragmentiertes System, kleinteilige Kompetenzen, unklare Verantwortungsbereiche, eine Vervielfachung der interkantonalen Konkordate sowie Unterschiede bei der Finanzierung. Wenn die gleichen Probleme von 26 Kantonsverwaltungen behandelt und auf 26 verschiedene Weisen gelöst werden, schadet dies einer wirksamen Kontrolle, verhindert Einsparungen dank Grösse, kann zu Ungleichbehandlungen der Bevölkerung in den verschiedenen Regionen führen etc.

Bericht zur Relevanz eines Bundesgesetzes über die Gesundheit
Vor diesem Hintergrund beauftragte die SAMW 2022 Prof. Stéfanie Monod (Unisanté Lausanne), eine wissenschaftliche Arbeit zur Relevanz eines Bundesgesetzes über die Gesundheit, dessen möglichen Inhalt und den Umsetzungsoptionen durchzuführen. Dieser Bericht, ergänzt durch eine rechtliche Analyse von Prof. Mélanie Levy (Institut de droit de la santé, Universität Neuenburg), wurde im Februar 2024 veröffentlicht.

Mit ihrer Stellungnahme befürwortet die SAMW die Ergebnisse dieser Arbeiten und geht noch einen Schritt weiter: Sie präsentiert, wie Gesundheit bzw. Gesundheitspolitik in einem Verfassungsartikel verankert werden könnte:

Art. 116a Gesundheitspolitik
  • Bund und Kantone anerkennen die wechselseitige Abhängigkeit der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt und verpflichten sich, im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen die Gesundheit auf Basis eines integrierten Ansatzes zu fördern.
  • Der Bund legt die Grundsätze der Gesundheitspolitik fest und koordiniert die Bemühungen der Kantone. Ziel ist es, die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern, um einen hohen Gesundheitsschutz für alle zu gewährleisten.
  • Der Bund fördert ein gerechtes, nachhaltiges und effizientes Gesundheitssystem. Er regelt das Sammeln und die Nutzung von Daten zur Steuerung des Gesundheitssystems.

Die SAMW ist sich bewusst, dass eine solche Verankerung in der Bundesverfassung Zeit braucht und nicht von der Verantwortung entbindet, parallel dazu spezifische Probleme zu lösen: Organisation der Grundversorgung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Gesundheits-fachleute, Tarifgestaltung, Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung etc. All diese Massnahmen sollten jedoch bereits heute in einen angestrebten übergeordneten Rahmen eingebettet werden.

Mit ihrer Stellungnahme und dem wissenschaftlichen Bericht von Unisanté will die SAMW die Diskussion anregen, insbesondere in den Parteien. Denn für die Umsetzung dieser Vorschläge braucht es politische Vorstösse. Die SAMW will bei diesem Prozess unterstützend wirken und mitunter auch die Kantone einbeziehen. Ein Bundesgesetz über die Gesundheit soll deren Kompetenz nicht beschneiden, sondern vielmehr klären.PS

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