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Diabetes-Medikament könnte das Fortschreiten der Parkinson-Erkrankung bremsen

Ein Wirkstoff zur Diabetesbehandlung könnte möglicherweise auch bei Parkinson helfen – so das Ergebnis einer neuen klinischen Studie (1).

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Die Substanz Lixisenatid verlangsamt das Fortschreiten der Symptome in einem geringen, aber statistisch signifikanten Umfang. «Die Ergebnisse sind sehr interessant. Wenn sich Parkinson mit dieser Klasse von Medikamenten bremsen liesse, wäre das ein Riesenerfolg», meint Prof. Joseph Claßen, erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG).

«Allerdings müssen erst noch Langzeitstudien durchgeführt werden, auch mit besser verträglichen, verwandten Wirkstoffen, um die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit an mehr Patienten nachzuweisen», so der Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Leipzig. Die Parkinson-Forschung macht grosse Fortschritte, bisher lässt sich die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach Alzheimer aber nur symptomatisch behandeln.

Studie: Levodopa vs. Lixisenatid
Die Wirksamkeit von Diabetes-Medikamenten bei Parkinson wird schon seit Längerem untersucht. Die aktuelle Studie ist jedoch die erste multizentrische klinische Studie, die Anzeichen für eine Wirksamkeit liefert. Untersucht wurden 156 Personen mit leichten bis mittelschweren Parkinson-Symptomen, die alle bereits das Standard-Parkinson-Medikament Levodopa oder andere Arzneimittel einnahmen. Die eine Hälfte von ihnen erhielt ein Jahr lang den Wirkstoff Lixisenatid, die andere ein Placebo. Nach zwölf Monaten zeigten die Teilnehmer der Plazebo-Kontrollgruppe wie erwartet eine Verschlechterung ihrer Symptome. Auf einer Skala zur Bewertung des Schweregrads der Parkinson-Krankheit, mit der gemessen wird, wie gut die Betroffenen Aufgaben wie Sprechen, Essen und Gehen ausführen können, war ihr Wert um drei Punkte gestiegen. Bei denjenigen, die das Medikament einnahmen, änderte sich die Punktzahl auf dieser Skala nicht.

«Das Ergebnis ist aufgrund des Studiendesigns interessant. Man muss aber berücksichtigen, dass drei Punkte in der Bewertung wenig sind. Es müssen weitere Studien folgen, unter anderem um zu klären, wie sich die Wirkung über mehrere Jahre hinweg entwickelt», erklärt Prof. Claßen. Zudem führte die Behandlung zu Nebenwirkungen: Übelkeit trat bei fast der Hälfte und Erbrechen bei 13 % der Personen auf, die das Medikament einnahmen. Neuere Medikamente derselben Substanzklasse könnten weniger und mildere Nebenwirkungen haben oder in niedrigeren Dosen wirken.

Wirkprinzip von Diabetes-Medikamenten bei Parkinson unklar
Noch ist unklar, wie sich der positive Effekt des Diabetes-Medikaments bei Parkinson erklären lässt. Der zur Behandlung von Typ-2-Diabetikern zugelassene Wirkstoff Lixisenatid ist ein GLP-1-Rezeptoragonist (Glucagon-like Peptid-1). Es ahmt die Wirkung des natürlich vorkommenden Peptids nach und aktiviert eine intrazelluläre Signalkaskade, welche eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung physiologischer Blutzuckerwerte spielt. Der Wirkstoff gehört zu einer grossen Familie ähnlicher Wirkstoffe, die in jüngster Zeit als «Abnehmspritze» (Semaglutid) auch zur Behandlung der Adipositas eingesetzt werden. GLP-1-Medikamente sind dafür bekannt, dass sie Entzündungen reduzieren – möglicherweise hängt damit ihre Wirkungsweise zusammen.

Dem Zusammenhang zwischen Parkinson und Diabetes auf der Spur
Schon seit Längerem deuten verschiedene Studien an, dass Diabetes Typ 2 und manche neurodegenerative Krankheiten ähnliche Signalwege aufweisen. Offenbar können nicht nur Leber- und Muskelzellen, sondern auch Neurone schlecht auf Insulin reagieren, welches z. B. an Gedächtnisprozessen beteiligt ist. Dies könnte erklären, warum Menschen mit Diabetes Typ 2 z. B. ein höheres Risiko für Alzheimer haben (2). Eine 2017 veröffentlichte Studie aus London deutet darauf hin, dass der Wirkstoff Exenatid, ein weiteres Diabetes-Medikament, das in Deutschland seit 2007 auf dem Markt ist, auch den Krankheitsfortschritt bei Parkinson mindestens verlangsamt, wenn auch nur in geringem Umfang. Die Forscher vermuten, dass Exenatid die Energieversorgung der Neuronen verbessert, indem es sie wieder empfänglicher für Insulin macht, und damit Entzündungsreaktionen verringert (3). In zwei Anfang 2023 veröffentlichten Studien machten Forscher aus Florida und Taiwan die Beobachtung, dass die Einnahme des Wirkstoffs Metformin bei manchen Diabetes-Patienten offenbar eine schützende Wirkung hinsichtlich der Entwicklung einer Demenz hat (4, 5). In den nächsten Monaten werden Ergebnisse einer grossen klinischen Studie erwartet, in der die Auswirkungen einer zweijährigen Behandlung mit Exenatid bei Menschen mit Parkinson untersucht werden (6).

«Wissenschaftlich interessant sind auch die in der aktuellen Studie nicht untersuchten Fragen, ob GLP-1-Medikamente vor dem Verlust von Dopamin-produzierenden Neuronen schützen und vielleicht den Ausbruch von Parkinson verhindern können», sagt Prof. Claßen. Das wären sehr wichtige Ziele, denn Parkinson lässt sich bisher nicht ursächlich behandeln.PS

Literatur
  1. Meissner WG, Remy P, Giordana C, et al. Trial of Lixisenatide in Early Parkinson's Disease. N Engl J Med. 2024;390(13):1176-1185.
  2. de la Monte SM, Wands JR. Alzheimer's disease is type 3 diabetes-evidence reviewed. J Diabetes Sci Technol. 2008;2(6):1101-1113.
  3. Athauda D, Maclagan K, Skene SS, et al. Exenatide once weekly versus placebo in Parkinson's disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet. 2017;390(10103):1664-1675.
  4. Tang H, Guo J, Shaaban CE, et al. Heterogeneous treatment effects of metformin on risk of dementia in patients with type 2 diabetes: A longitudinal observational study. Alzheimers Dement. 2024;20(2):975-985.
  5. Huang KH, Tsai YF, Lee CB, et al. The Correlation between Metformin Use and Incident Dementia in Patients with New-Onset Diabetes Mellitus: A Population-Based Study. J Pers Med. 2023;13(5):738.
  6. Vijiaratnam N, Girges C, Auld G, et al. Exenatide once weekly over 2 years as a potential disease-modifying treatment for Parkinson's disease: protocol for a multicentre, randomised, double blind, parallel group, placebo controlled, phase 3 trial: The 'Exenatide-PD3' study. BMJ Open. 2021;11(5):e047993.

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