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Die vergessene Krise: CRM macht auf weltweiten Mangel an Schlangengegengift aufmerksam

Wenn Braunschlange, Mamba oder Taipan zubeissen, tut rasche medizinische Hilfe Not. Gerade in den ländlichen Gegenden der Welt treffen Mensch und Giftschlange besonders häufig aufeinander. Dort ist die medizinische Infrastruktur jedoch oft nur schwach ausgeprägt oder fehlt nahezu ganz. Lebensrettende Gegengifte, auch Antiseren oder Antivenine genannt, sind oft nicht verfügbar. In Afrika, dem Schwerpunktland des diesjährigen Forums Reisen und Gesundheit, kostet dieser Mangel jedes Jahr Tausende Menschenleben.

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Vom Biss einer Giftschlange sind groben Schätzungen zufolge jedes Jahr rund 2,7 Millionen Menschen betroffen. 140 000 von ihnen sterben an den Folgen. «Die tatsächlichen Zahlen liegen sicherlich deutlich höher», sagt Professor Dr. phil. nat. Dietrich Mebs, emeritierter Toxikologe aus Frankfurt. «Denn in abgelegenen oder von Kriegen betroffenen Regionen werden Schlangenbisse oft nicht registriert.»

Aufwendige und spezifische Herstellung von Antiseren
Meist sind es ärmere oder marginalisierte Bevölkerungsgruppen, die mit den Schlangen in Kontakt kommen und Bisse davontragen. Entsprechend gering ist der Marktanreiz für Erforschung und Herstellung der Gegengifte, die zudem äusserst aufwendig sind. Über Monate hinweg müssen grosse Säugetiere – meist Pferde, aber auch Schafe oder Rinder – mit steigenden Dosen des Schlangengiftes immunisiert werden. In ihrem Blutserum finden sich dann grosse Mengen von Antikörpern, die das Gift neutralisieren können. Die für den medizinischen Gebrauch aufgereinigten Antikörperpräparate werden deshalb auch als Antiseren bezeichnet. «Ihre Herstellung ist zwar aufwendig, doch sind die Antiseren sehr spezifisch für ihre Anwendung», erklärt Mebs. Weil unterschiedliche Schlangenarten unterschiedliche Gifte besitzen, müsse für nahezu jede Schlangenart ein eigenes Antiserum hergestellt werden. «Selbst das Gift einer Kobra aus Afrika ist mit dem einer Kobra aus Indien oder China nicht vergleichbar.»

Antivenin-Markt in Abwärtsspirale
Umso wichtiger wäre es, für die jeweilige Region entwickelte und geprüfte Antiseren verfügbar zu halten. Doch der Antivenin-Markt befindet sich seit Jahren in einer Abwärtsspirale, die Mebs am Beispiel Afrikas nachzeichnet. «Hier haben billige, aber leider auch weitgehend unwirksame Produkte aus China und Indien den Markt erobert», berichtet der Toxikologe. Für das französische Unternehmen Sanofi-Pasteur etwa habe sich die Herstellung des sehr wirksamen Antiserums Fav-Afrique, das gegen alle wichtigen Schlangengifte Subsahara-Afrikas gerichtet war, letztlich nicht mehr gelohnt. 2010 sei die Produktion eingestellt worden, obwohl Sanofi-Pasteur sein Know-how sogar kostenlos zur Verfügung gestellt habe. Derweil sorgen die wirkungslosen Produkte aus asiatischer Produktion dafür, dass das Vertrauen der Bevölkerung in Antiseren allgemein abnimmt. Bei Schlangenbissen werden dann verstärkt traditionelle Heilerinnen oder Heiler aufgesucht, der Markt für Antiseren schrumpft weiter, in der Folge kommt es zu weiteren Preisanstiegen und einem weiteren Rückgang des Angebots.

Fehlgeleitete Lösungsansätze
Dieser Teufelskreis ist nur schwer zu durchbrechen. Lösungsansätze skizziert auch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM). Als Eckpfeiler für eine bessere Antiserum-Versorgung werden dort einheitlichere Regelungen für klinische Studien und Zulassungen genannt, eine Stärkung der lokalen Produktion und eine Ausweitung der universellen Gesundheitsversorgung, die im Idealfall die Kosten für die Behandlung übernimmt. Für Massnahmen wie diese hat die Weltgesundheitsorganisation WHO mittlerweile Gelder in Millionenhöhe zur Verfügung gestellt. Sie hatte die Vergiftungen durch Schlangenbisse im Jahr 2017 zur «neglected disease» erklärt. «Diese Mittel fliessen jedoch zunächst in die Erforschung und Entwicklung von Antiseren», erläutert Mebs. Nicht beachtet werde dabei, dass in Südafrika bereits wirksame, für den afrikanischen Markt geeignete – aber für viele Länder zu teure – Antiseren hergestellt würden. Bei geeigneter Finanzierung könnten diese die Versorgungskrise südlich der Sahara sehr viel schneller beenden als Neuentwicklungen. «So aber sterben nicht nur in Afrika weiterhin Menschen nach dem Biss einer Giftschlange oder leiden lebenslang unter den Folgen – etwa, wenn eine Hand, ein Arm oder ein Bein amputiert werden musste.»PS

Quellen:

Quelle: CRM, Medienmitteilung vom 04.03.2024

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