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Erfolge mit Gentherapie bei schwerhörigen Kindern mit seltener Genmutation

Eine US-amerikanische und eine chinesische Studie berichten über positive Ergebnisse in der gentherapeutischen Behandlung von Kindern mit erblich bedingtem Hörverlust. Obwohl die Genmutation, die zu angeborener Schwerhörigkeit bis hin zur Gehörlosigkeit führt, äusserst selten ist, markieren die Erkenntnisse einen Durchbruch in der Gentherapie bei angeborenem Hörverlust.

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Nie zuvor war es gelungen, durch eine Gentherapie das Gehör eines vormals tauben oder schwerhörigen Menschen zu verbessern. Bereits 2019 hatte Prof. Dr. Ellen Reisinger, Expertin und Professorin für Gentherapie für Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit an der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) Tübingen der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen, entscheidende Beiträge in der Grundlagenforschung dafür geliefert.

Hochgradige Schwerhörigkeit duch Mutation im Gen für Otoferlin
Ein 11-jähriger Junge, der bereits im Oktober in Philadelphia behandelt wurde, litt unter einer sehr seltenen Form einer hochgradigen Schwerhörigkeit, die durch eine Mutation in dem Gen OTOF, das den Bauplan für das Protein Otoferlin enthält, verursacht wird. Da von dieser Art der Gehörlosigkeit weltweit nur etwa 200 000 Menschen betroffen sind, zählt sie zu den sehr seltenen Erkrankungen.
  • Das mutierte Otoferlin-Gen verhindert die Bildung eines Proteins in den Haarzellen des Innenohrs, das für die Weiterleitung von Schallsignalen von den Sinneszellen an die Hörnerven notwendig ist.
  • Ziel der Gentherapie ist es, das mutierte Otoferlin im Innenohr der Patienten durch ein funktionierendes Gen zu ersetzen.

Bereits 2019 konnte Prof. Dr. Ellen Reisinger mit ihrer Forschungsgruppe grundlegende Erkenntnisse im Bereich erblich bedingter Gehörlosigkeit gewinnen. In Mausmodellen konnte sie das Gen OTOF in die Sinneszellen des Innenohrs einschleusen. Um das Gen in eine Zelle einzuführen, hat sie zwei ungefährliche Viren als Transportmittel verwendet. Mithilfe ihrer Oberflächenproteine können diese Viren an die Sinneszellen im Innenohr andocken und die DNA in den Zellkern transportieren. «Wir konnten beobachten, dass sich das Gehör mit unserer Gentherapiemethode experimentell wiederherstellen liess.»

Gendefekt und Alter entscheidende Faktoren bei der Therapie
«Die erfolgreiche Behandlung am Menschen im Rahmen einer klinischen Studie ist ein Meilenstein im Bereich der Gentherapie bei erblich bedingter Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit», ist Prof. Reisinger sicher. Dennoch profitiert zurzeit nur ein kleiner Teil der von erblich bedingter Taubheit Betroffenen von der neuen Möglichkeit. «Die Therapie wurde nur für Mutationen im Gen OTOF entwickelt. Sind andere Gene betroffen, was bei der überwiegenden Mehrheit der schwerhörig oder gehörlos geborenen Menschen der Fall ist, würde diese Gentherapie nicht helfen.», führt Frau Reisinger weiter aus. Wichtig für eine erfolgreiche Behandlung dieses Gendefekts ist das Alter. Gerade bei Mutationen im Gen OTOF ist es entscheidend, dass die Hörminderung möglichst früh erkannt wird, damit noch genügend intakte Zellen für eine erfolgreiche Gentherapie vorliegen.

Studie aus China unterstreicht Ergebnisse
Eine gleichzeitig veröffentlichte Studie aus China in dem renommierten Wissenschaftsjournal «The Lancet», unterstreicht die Ergebnisse aus den USA. Die klinische Studie in dem Journal basiert auf der gleichen Strategie – die DNA-Sequenz für Otoferlin wird mithilfe von zwei unschädlichen Viren in die Zellen des Innenohrs eingeschleust. In fünf von sechs Betroffenen mit OTOF-Mutationen, die nahezu gehörlos geboren wurden, konnte damit erreicht werden, dass sie nun hören können.

Weitere Grundlagenforschung und klinische Studien sind geplant
Bevor die Gentherapie jedoch auch Betroffenen mit weiteren Formen der Schwerhörigkeit zur Verfügung steht, ist es noch ein weiter Weg.
Momentan gibt es insgesamt drei klinische Studien weltweit, die sich mit der Erprobung der Gentherapie bei Otoferlin-Gehörlosigkeit beschäftigen, eine in China und weitere zwei in den USA. Die vorliegenden Ergebnisse sowohl aus China wie auch aus den USA geben jedoch Anlass zur Hoffnung. «Wir arbeiten in der Forschung intensiv daran, Gentherapien für weitere Formen der Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit zu entwickeln. Der Weg vom Labor zur klinischen Anwendung beträgt mehrere Jahre.», bremst Prof. Reisinger die Erwartungshaltung. «Wir sind zuversichtlich, dass diese Translation auch für andere Gene gelingen wird».PS

  • Zur Originalpublikation
Jun Lv, Hui Wang et al.: AAV1-hOTOF gene therapy for autosomal recessive deafness 9: a single-arm trial. The Lancet 2024.

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen, Medienmitteilung vom 26.01.2024

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