Erklären Sie bitte kurz, was es mit der Inflation auf sich hat?
Die Inflation beschreibt die prozentuale Veränderung, welche die Konsumenten für den Kauf eines bestimmten Warenkorbs im Vergleich zum Vorjahr bezahlen müssen. Im August 2022 betrug in der Schweiz die Jahresteuerung 3,5 %. Somit mussten die Konsumenten für den besagten Warenkorb 3,5 % mehr bezahlen, als sie dies im August 2021 hätten tun müssen. Die Kaufkraft des erzielten Einkommens und der Ersparnisse hat also abgenommen.
Im internationalen Vergleich ist eine Inflation von 3,5 %, welche die Schweiz aktuell ausweist, recht tief. Ist dies daher kein allzu grosses Problem?
Im Vergleich zum Ausland, wo z.B. im Euroraum die Teuerung im August 9,1 % oder in den USA im Juli 8,5 % betrug, ist dieser Wert recht tief. Trotzdem ist diese Entwicklung alles andere als erfreulich. Auf einem Bankkonto mit CHF 100 000 beträgt der Kaufkraftverlust CHF 3500. Hat ein Kunde ein Guthaben von 1,5 Mio. in der Pensionskasse und verzinst diese mit 2 %, dann beträgt der Kaufkraftverlust CHF 22 500. Die Kosten durch die Inflation sind daher auch in der Schweiz hoch.
Es ist immer wieder zu hören, dass der publizierte Index nicht die Realität widerspiegelt. So fehlen z.B. die Krankenkassenprämien in diesem Korb. Ist daher der Wertverlust sogar höher als publiziert?
Der Landesindex für Konsumentenpreise (LIK) widerspiegelt die Preisentwicklung eines möglichst umfassenden Warenkorbs. Daher ist nicht jede Person in gleichem Ausmass betroffen. So führen steigende Mietzinsen nur zu einer effektiven Teuerung bei Personen welche Mieter sind und auch tatsächlich umziehen.
Die Krankenkassenprämien fehlen effektiv in diesem Index. Erfasst sind jedoch Arzt-, Zahnarzt- und Spitalleistungen sowie Medikamente. Die Krankenkassenprämien steigen aber insbesondere auch wegen dem steigenden Konsum von Gesundheitsgütern. Ein Preisindex zeigt aber nur die Entwicklung der Preise und nicht veränderte Konsumgewohnheiten. Daher fehlen diese Prämien im Index.
Interessant. Und wie kann man sich nun gegen Inflation schützen?
Wie bereits erwähnt, werden Waren teurer bei gleichbleibendem Wert des Geldes. Daher drängen sich auch Anlagen in Waren, also Sachwerte, auf. Das sind typischerweise Immobilien und Gold, aber auch Aktien oder Kunstgegenstände gehören dazu. Aktien sind Sachwerte, da dahinter Firmen mit ihren Immobilien, Produktionsanlagen, Patenten, usw. stehen. Nominalwerte sind das Pendant zu Sachwerten und umfassen Obligationen, Bargeld, Kassenscheine usw.
Folglich sollte ich möglichst viel von meinem Vermögen in Sachwerte investieren?
Theoretisch ja. Aber wie immer haben auch Sachwerte nicht nur Vorteile. Die Inflation ist nur ein Kriterium. So schwanken Sachwerte typischerweise stärker im Wert als Nominalwerte. Auch Illiquidität kann je nach Anlageklasse ein Problem darstellen.
Insbesondere Aktien unterliegen starken Schwankungen. Bei Immobilien sind die Zyklen deutlich länger. So hatten wir in der Schweiz in den Neunzigerjahren sinkende Preise und verzeichnen nun bereits seit über 20 Jahren einen Aufwärtstrend. Kürzere Zyklen mit stärkeren Ausschlägen waren in den USA oder in Spanien zu beobachten. Das knappe Angebot in der Schweiz stützt sicher zusätzlich die Preise, so dass die Verwerfungen bei uns grundsätzlich tiefer sind.
Zu Ihrer Frage: Es sollte so viel in Sachwerte investiert werden, wie die Risikofähigkeit und die Risikobereitschaft zulassen.
Können Sie das genauer erklären?
Die Risikofähigkeit beschreibt die wirtschaftliche Fähigkeit eines Anlegers Verluste zu tragen. Ausschlaggebend sind die Einkommens- und Vermögenssituation sowie der Anlagehorizont. Die Risikobereitschaft beschreibt die persönliche Bereitschaft eines Anlegers Verluste zu akzeptieren.
Was dominiert?
Ich erlebe meistens, dass die Risikofähigkeit höher ist als die Risikobereitschaft. Sicher hängt das auch damit zusammen, dass der Schweizer Franken traditionell sehr stark und über eine lange Zeit stabil ist. Es ist leicht nachvollziehbar, dass in vielen anderen Ländern die Leute lieber in Sachwerte als in die Landeswährung investieren.
Was empfehlen Sie den Anlegern?
Zuerst muss ein Risikoprofil erstellt werden. Damit wird schriftlich festgehalten, welche Risiken eingegangen werden können. Danach wird das Geld auf verschiedene Töpfe verteilt, wobei sich die Anlageklassen gut ergänzen sollten. Denn jede Anlageklasse hat Vor- und Nachteile. Eine Gesamtbetrachtung ist zentral.
Der Aufbau eines Aktienportfolios dient als primärer Inflationsschutz. Dabei ist ein regelmässiger über Jahre zu erfolgender Aufbau einer raschen oder einmaligen Anlage klar Vorzug zu geben. Für den Investor ist es wichtig, dass das Aktienportfolio nicht isoliert betrachtet wird. Hat jemand CHF 200 000 in Aktien investiert und die Börse taucht um 15 %, wie dies in diesem Jahr der Fall war, dann resultiert ein Verlust von CHF 30 000. Das ist viel, wird aber relativiert, wenn diese Person daneben noch ein Einfamilienhaus, ein BVG, eine 3a-Lösung und etwas Liquidität hält. Dann beträgt der Verlust plötzlich nur noch 2 % oder 3 %.
Dann bietet sicher auch das selbstbewohnte Wohneigentum oder allenfalls die geerbte Liegenschaft einen guten Inflationsschutz. Zudem kommen vermehrt auch Immobilienanlagen mit Versicherungsmantel auf den Markt. Dies ist insbesondere deshalb sehr spannend, da so die Erträge von der Einkommenssteuer befreit werden, was bei Mieteinahmen zentral ist. Dank der gestiegenen Zinsen gibt es aber auch wieder gute Anlageprodukte, wo auf einen Teil der Rendite verzichtet wird, dafür wird aber ein gewisser Schutz geboten. Dies kann als Ergänzung zum Aktienportfolio sehr interessant sein.
Zu guter Letzt kann auch Gold einen gewissen Inflationsschutz bieten. Da Gold aber keine laufenden Erträge abwirft, würden wir diese Anlageklasse nicht allzu hoch gewichten. Es gibt also nicht das Rezept, welches vor Inflation schützt. Eine intelligente Zusammensetzung der verschiedenen Anlagen schützt möglichst optimal vor unterschiedlichen Risiken.
Wie wird der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) erhoben?
Das Bundesamt für Statistik BFS erhebt den LIK monatlich. Dazu werden vor Ort, per Telefon, im Internet oder auf dem Korrespondenzweg insgesamt 100 000 Preise pro Monat in rund 8000 Verkaufsstellen erhoben, wobei ca. 5200 auf die der Mietpreiserhebung teilnehmenden Vermieter fallen.
Zur Person
Stefan Walther ist Mitglied der Geschäftsleitung der Roth Gygax & Partner AG*
*von der FMH Services Genossenschaft empfohlenes, rechtlich und wirtschaftlich selbstständiges Beratungsunternehmen.
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