«Oft kommt eine Lungenembolie wie aus heiterem Himmel, von einem Moment auf den anderen, und stellt ein lebensbedrohliches Ereignis für die Betroffenen dar», erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Anja Kalch von der Universität Augsburg. «Die Betroffenen bekommen häufig plötzlich nicht mehr genug Luft; sie haben Kreislaufbeschwerden oder Schmerzen beim Atmen - eine Situation, die viele von ihnen als extrem belastend wahrnehmen.»
Hinzu kommt das beträchtliche Risiko eines Rückfalls, das sich zwar durch die Einnahme von Medikamenten deutlich senken lässt. Diese müssen jedoch meist lebenslang genommen werden. Viele Patienten fürchten sich zudem vor den Nebenwirkungen, etwa dem erhöhten Risiko einer Blutung. Die Lungenembolie ist daher auch psychisch und emotional eine starke Belastung. «Dennoch gibt es bislang kaum umfassendes und laiengerechtes Informationsmaterial, das ihnen hilft, mit ihrer Krankheit fertigzuwerden», sagt Kalch.
Informationen leicht verständlich aufbereitet
Der neue Ratgeber schließt diese Lücke. Er ist das Ergebnis eines Gemeinschaftsprojekts von Kommunikationswissenschaft und Epidemiologie. «Wir haben zunächst systematisch analysiert, welche Informationen für Patienten es bereits gibt», sagt Prof. Dr. Helena Bilandzic, die den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaften an der Universität Augsburg innehat. «Zudem haben wir in Interviews mit Betroffenen die Bereiche identifiziert, in denen besonders großer Informationsbedarf besteht, der momentan noch nicht gedeckt wird.»
Die Wissenschaftlerin erforscht unter anderem, wie Informationen aufbereitet werden müssen, um leicht verstanden zu werden und eine möglichst große Wirkung zu entfalten. Dieser Blickwinkel hat auch die neue Broschüre maßgeblich geprägt. Zu Beginn jeder Doppelseite findet sich eine Zusammenfassung, die kurz und bündig die wichtigsten Fakten zum gerade behandelten Thema zusammenfasst: die wichtigsten Symptome einer akuten Lungenembolie, Behandlungsmöglichkeiten, langfristige Folgen, Auswirkungen auf den Alltag. Dieser Überblick wird dann - angereichert durch anschauliche Bilder - vertieft.
«Wir haben zudem regelmäßig auch kurze Erfahrungsberichte von Patienten zu bestimmten Aspekten der Erkrankung aufgenommen» sagt Bilandzic. «Die Forschung zeigt, dass Inhalte dadurch einerseits leichter verständlich werden. Zudem erleben die Betroffenen durch diese Elemente, dass sie mit ihren Erfahrungen, Sorgen und Problemen nicht allein sind.»
Evidenzmarkierungen
Zur besseren Orientierung enthält der Ratgeber zudem Evidenzmarkierungen. Sie machen auf einen Blick klar, wieviel die Medizin zu einer bestimmten Frage weiß und wo noch Forschungsbedarf besteht. So gibt es beispielsweise erst wenige Studien dazu, was genau die ssychische Belastung von Patienten ausmacht und wie diese konkret reduziert werden kann. Die Markierung signalisiert für dieses Thema daher eine geringe Evidenz. «Es ist das erste Mal, dass dieser Aspekt in einem Ratgeber für Betroffene und ihre Angehörigen berücksichtigt wurde», betont Bilandzic.
Die Broschüre soll einerseits Patienten helfen, Probleme nach einer Lungenembolie besser einzuschätzen. Außerdem gibt sie ihnen Werkzeuge an die Hand, das Risiko einer weiteren Embolie so weit wie möglich zu senken. Daneben hatten die Projektbeteiligten aber auch noch die allgemeine Bevölkerung als Zielgruppe im Blick. «In erster Linie geht es uns dabei um den Freundeskreis sowie um Partnerinnen und Partner der Betroffenen», erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin Anja Kalch. «Wir wollen aber auch insgesamt den Wissensstand zur Lungenembolie verbessern helfen.»
Ergebnisse der Evaluation vielversprechend
Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Forscher fast 500 gesunden Frauen und Männern verschiedene Prototypen des Ratgebers in die Hand gedrückt. Auf Grundlage des erhaltenen Feedbacks haben sie die Broschüre dann weiter verfeinert. Das Ergebnis ist den Aufwand Wert, wie die unlängst erfolgte Abschluss-Erhebung zeigt. «Die mehr als 200 Patienten, denen wir die Broschüre zur Verfügung gestellt hatten, wussten danach besser über ihre Krankheit Bescheid als die Kontrollgruppe», sagt Helena Bilandzic. «Zudem verbesserte sich ihr ssychisches Wohlbefinden und ihre krankheitsspezifische Gesundheitskompetenz.»
Denn letztlich sind Informationen auch das beste Mittel gegen diffuse Ängste, die viele Menschen mit schweren Krankheiten plagen. Wer informiert ist, kann seine Erkrankung und ihre Folgen besser einschätzen. Außerdem neigen Betroffene dann nicht mehr so stark dazu, dauernd in sich hineinzuhorchen, ob sich der eigene Zustand möglicherweise verschlechtert.PS