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Kann Stress übertragen werden?

Und können auch weitere physiologische Zustände an andere Individuen weitergegeben werden? Diese Fragen untersuchten Forscher des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten bei Menschen und Tieren.

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Bei Mensch und Tier können wir beobachten, wie physiologische Zustände untereinander übertragen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist Stress. Stress ist eine natürliche Reaktion, die meist durch eine Bedrohung der physischen oder psychischen Unversehrtheit verursacht wird. Menschen und Tiere als soziale Wesen erleben Stress häufig in Gruppensituationen: zum Beispiel bei der Arbeit oder wenn Tiere einem Raubtier gegenüberstehen. Die Übertragung von Stress auf andere kann dabei durchaus eine positive Funktion haben: Sie kann eine koordinierte Reaktion der Gruppe erleichtern oder einzelne Mitglieder des Kollektivs besser auf die Bewältigung der Bedrohung vorbereiten.

Übertragung von Stress 
In Experimenten untersuchten Forscher des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten der Universität Konstanz aus der Biologie und Psychologie die Übertragung von Stress von einem Individuum auf eine Gruppe, aber auch die Stressübertragung innerhalb von Gruppen.

So untersuchten die Psychologinnen Alisa Auer, Lisa-Marie Walther und Petra Wirtz unter anderem das Stresserleben von Studenten bei schriftlichen universitären Prüfungen, von Orchestermusikern während einer Probe und einem Konzert, sowie in Situationen am Arbeitsplatz. Ausserdem haben sie in einer kürzlich publizierten, als Editor’s Choice Article ausgewählten Studie «erstmals ein Paradigma entwickelt, um die Übertragung von Stress unter standardisierten Bedingungen im Labor untersuchen und dabei für eine Vielzahl potenzieller Einflüsse kontrollieren zu können», berichtet Studienleiterin Petra Wirtz.
  • Dadurch konnte gezeigt werden, dass einige, aber nicht alle Stresssysteme bei der Stressübertragung aktiviert werden.
  • Die Stressübertragungsreaktion hat einen ähnlichen Verlauf wie die Reaktion auf selbst erlebten Stress, jedoch in geringerem Ausmass.
In weiteren Studien von Kollegen wurde Stressübertragung bei Paaren, bei Speeddating oder in Schulklassen erforscht.

Stressübertragung in Tiergruppen
Die Doktoranden Dennis Horvath und Dennis Mink zeigten mit ihren Experimenten, dass Mäuse, die mit gestressten Mäusen zusammenleben, ein erhöhtes Stresshormon-Level haben. Sie sind zurückhaltender und vorsichtiger, während nicht gestresste Mäuse aktiver und mutiger sind: Letztere verhalten sich neugierig und erkunden vermehrt ihre Umgebung.
Ein ähnlich stark verändertes Verhalten unter Stress wurde auch bei Vogelschwärmen beobachtet: «Die Aktivität von Vögeln, die in Kolonien mit gestressten Mitgliedern lebten, veränderte sich stark», sagt Hanja Brandl, Postdoktorandin am Exzellenzcluster Kollektives Verhalten. «Vor allem bewegten sie sich weniger, und ihre Fortpflanzungsrate sank proportional zum Grad des Stresses in ihrem sozialen Umfeld. Dies zeigt, dass Stressoren nicht nur auf die direkt dem Stress ausgesetzten Individuen wirken können, sondern auch auf Gruppenmitglieder, die den Stressor nie am eigenen Leib erfahren haben», schlussfolgert die Biologin.

Physiologische Synchronisierung
Stress kann nicht nur kollektiv übertragen werden, sondern es findet auch eine physiologische Synchronisation zwischen den Gruppenmitgliedern statt – sogar zwischen Tieren und Menschen. Ein Bereich, in dem physiologische Synchronität beobachtet wird, ist die Reittherapie. Studienleiter Jens Pruessner sagt dazu: «Eine wichtige Hypothese dieses Projekts ist, dass die physiologische Synchronisation mit einer Verbesserung der Symptome im Verlauf der Studie zusammenhängt.» Erste Ergebnisse bestätigen diese Annahme: Die Herzfrequenzvariabilität von Patient und Pferd innerhalb und im Verlauf der Behandlungstermine wird immer ähnlicher. Pruessner fügt hinzu: «Interessanterweise verringern vergangene traumatische Erfahrungen die Synchronität, und die Synchronisation zwischen Therapeut und Pferd scheint auch die Synchronisation von Patient und Pferd zu beeinflussen.»

Anhand aller durchgeführten Experimente konnten die Forscher nachweisen, dass Stressübertragung und physiologische Synchronisation zwischen den Gruppenmitgliedern stattfindet. Im nächsten Schritt wollen sie herausfinden, wie genau dies geschieht.

Faktenübersicht:
  • Eine ausführliche Beschreibung aller Experimente und eine Übersicht über die zugehörigen Veröffentlichungen ist auf den Seiten 48 - 59 des Jahresberichts des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten 2023 zu finden.
  • Der Exzellenzcluster Kollektives Verhalten der Universität Konstanz ist ein weltweit führendes Spitzenforschungszentrum für die Erforschung von Schwarmverhalten. Interdisziplinär werden drängende Fragen über Arten- und Organisationsebenen hinweg angegangen, von neuronalen Mechanismen über individuelle Wahrnehmung und Präferenzen bis hin zu kollektivem Verhalten in Gruppen oder ganzen Gesellschaften.PS

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