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Kann künstliche Intelligenz die Behandlung von Frauen mit akutem Koronarsyndrom verbessern?

Ein gängiger Score zur Abschätzung des Sterblichkeitsrisikos bei akuten Koronarsyndromen wurde vorwiegend anhand männlicher Patienten entwickelt, so dass die Risikobeurteilung bei Frauen weniger präzise ausfallen kann. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz haben Forscher der Universität Zürich jetzt einen neuen Score entwickelt, der die personalisierte Versorgung betroffener Frauen verbessern soll.

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Der GRACE-Score (Global Registry of Acute Coronary Events) ermöglicht die Einschätzung des Sterblichkeitsrisikos von Patienten mit akuten Koronarsyndromen anhand klinischer, elektrokardiografischer und biochemischer Variablen. Für das Management von akuten Koronarsyndromen ohne ST-Strecken-Hebung (NSTE-ACS) wird in aktuellen Leitlinien empfohlen, die Auswahl der Behandlung, die Überwachung der Patienten während des Krankenhausaufenthalts und die Beurteilung der Prognose entsprechend dem GRACE-Score vorzunehmen.

Entwicklung von GRACE 2.0 anhand männlicher Patienten
Der Score GRACE 2.0 beruht vorwiegend auf den Daten männlicher Patienten, wird jedoch bei beiden Geschlechtern gleichermassen verwendet. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass sich die Ausgangsmerkmale, die in die GRACE-Risikoschätzungen einfliessen, bei Männern und Frauen teilweise deutlich unterscheiden. So sind bei Frauen mit NSTE-ACS beispielsweise andere Plaque-Merkmale vorhanden und die Prävalenz von Plaque-Erosion als primärem Verursachungsmechanismus ist höher. Zudem sind weibliche Patienten mit NSTE-ACS älter und leiden häufiger an Komorbiditäten. Die bisher einheitliche Handhabung des GRACE-2.0-Scores könnte daher mit geschlechtsspezifischen Unterschieden in der prognostischen Präzision und entsprechenden Konsequenzen für die Behandlung verbunden sein.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Thomas F. Lüscher, Professor am Zentrum für Molekulare Kardiologie der Universität Zürich (UZH), hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Genauigkeit von GRACE 2.0 bei beiden Geschlechtern zu evaluieren und einen neuen Score zu entwickeln, der geschlechtsspezifische Merkmale angemessen berücksichtigt.

Aktuelles Risikomodell begünstigt Unterbehandlung von Patientinnen
In ihrer Studie haben die Forscher aus der Schweiz und dem Vereinigten Königreich die Daten von 420781 Patientinnen und Patienten mit NSTE-ACS aus ganz Europa analysiert. «Die Studie zeigt unter anderem, dass etablierte Risikomodelle, die das derzeitige Patientenmanagement steuern, bei Frauen weniger genau sind und die Unterbehandlung weiblicher Patienten begünstigen», sagt Erstautor Florian A. Wenzl vom Zentrum für Molekulare Kardiologie der UZH. Der GRACE-2.0-Score unterschätzte das Sterberisiko im Krankenhaus bei weiblichen Patienten und begünstigte ihre falsche Stratifizierung in die Gruppe mit niedrigem bis mittlerem Risiko, für die der Score keine frühzeitige invasive Behandlung anzeigt.

«Mit Hilfe von maschinellem Lernen und den grössten Datensätzen in Europa haben wir einen neuartigen Risikoscore (GRACE 3.0) entwickelt, der geschlechtsspezifischen Unterschiede im Risikoprofil berücksichtigt und die Vorhersage der Sterblichkeit bei Frauen und Männern verbessert», so Wenzl. GRACE 3.0 führte zu einer klinisch relevanten Neueinstufung von weiblichen Patienten in die Hochrisikogruppe.

KI-basierte Risikoprofile verbessern individualisierte Versorgung
Viele Forscher und Biotech-Unternehmen sind sich einig, dass künstliche Intelligenz und die Analyse von Big Data der nächste Schritt auf dem Weg zur personalisierten Patientenversorgung sind. «Unsere Studie läutet die Ära der künstlichen Intelligenz in der Behandlung von Herzinfarktpatienten ein», sagt Wenzl. Moderne Computeralgorithmen können aus grossen Datensätzen lernen und genaue Vorhersagen über die Prognose einzelner Patienten und Patientinnen treffen. Und diese sind wiederum der Schlüssel zu individualisierten Behandlungen.

Thomas F. Lüscher und sein Team sehen grosses Potenzial in der Anwendung von künstlicher Intelligenz zur Verbesserung der Therapie von Herzerkrankungen sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Patienten. «Wir hoffen, dass der Einsatz der neuen Risikobewertung die derzeitigen Behandlungsstrategien verfeinern, geschlechtsspezifische Ungleichheiten verringern und letztlich das Überleben insbesondere von Frauen mit Herzinfarkt verbessern wird», sagt Lüscher.PS

  • Literatur
Wenzl FA et al. Sex-specific evaluation and redevelopment of the GRACE score in non-ST-segment elevation acute coronary syndromes in populations from the UK and Switzerland: a multinational analysis with external cohort validation. The Lancet. 29 August 2022.

Quelle: Universität Zürich (UZH)/Medienmitteilung, 29.08.2022

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