Home/Neue Hoffnung im Kampf gegen RSV

Neue Hoffnung im Kampf gegen RSV

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) verursacht vor allem bei Kleinkindern schwere Infekte der unteren Atemwege. Bisher gibt es gegen das Virus weder eine antivirale Therapie noch eine Schutzimpfung für Kinder. In einer gross angelegten Studie konnten Forscher von TWINCORE nun einen vielversprechenden Kandidaten zur Behandlung identifizieren.

Twincore21.2.20242"
Jedes Jahr in den Wintermonaten kommt es zu Infektionswellen mit RSV. Bei gesunden Erwachsenen und Jugendlichen verläuft die Infektion meist harmlos. Anders bei Kleinkindern: Etwa 1 % von ihnen, die zum ersten Mal mit dem Erreger in Kontakt kommen, erkranken so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen. Aber auch bei Erwachsenen über 65 Jahren kann es aufgrund von Vorerkrankungen des Herzens oder der Lunge zu schweren Krankheitsverläufen kommen. Für ältere Menschen und für Schwangere sind seit 2023 Impfstoffe zugelassen, eine direkt antiviral wirkende Therapie gegen das RS-Virus gibt es bisher nicht.

Drug Repurposing Screen ...
Um neue Wirkstoffe gegen bestimmte Krankheitserreger zu entdecken, durchsuchen Forscher grosse Sammlungen bereits bekannter und klinisch erprobter Substanzen. Dieses Verfahren wird als «Drug Repurposing Screen» bezeichnet und prüft zusätzliche Anwendungsgebiete für bereits bekannte Pharmazeutika. Das Team vom Institut für Experimentelle Virologie am TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, in Hannover unter der Leitung von Prof. Thomas Pietschmann hat auf diese Weise die ReFRAME Library des Scripps Research Institutes (USA) nach möglichen neuen RSV-Medikamenten durchsucht. Diese Substanzbank enthält rund 12 000 Wirkstoffe, die sich in der klinischen Entwicklung befinden oder bereits zugelassen sind.

... mit Reportervirus
«Für das Screening der Bibliothek haben wir ein so genanntes Reportervirus verwendet, das mit dem fluoreszierenden Protein GFP markiert ist», sagt Pietschmann. «Ein Ausbleiben der Fluoreszenzreaktion in diesem Test weist auf eine antivirale Wirkung hin.» Gleichzeitig wurden alle Substanzen auch auf ihre Toxizität hin untersucht. Nur diejenigen, die keine zellschädigende Wirkung haben, kommen in die engere Auswahl. Die Tests wurden mit Hilfe eines Pipettierroboters in Zusammenarbeit mit dem Institut für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover automatisiert durchgeführt. «Anders kann man eine Sammlung von mehreren tausend Substanzen nur sehr schwer durchsuchen», sagt Dr. Sibylle Haid, Wissenschaftlerin im Institut für Experimentelle Virologie und Co-korrespondierende Autorin der Studie.

Farnesylierunghemmer Lonafarnib wirkt gegen RSV, Tipifarnib nicht
Aus zunächst 21 verbliebenen Kandidaten konzentrierten sich die Wissenschaftler auf den Wirkstoff Lonafarnib, der für die Behandlung des Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndroms zugelassen ist. Betroffene dieser seltenen, genetisch bedingten Erkrankung altern vorzeitig und sterben früher, durchschnittlich mit 14,5 Jahren. «Lonafarnib hemmt einen bestimmten Reifungsschritt von Proteinen in der Zelle», sagt Haid, «die Farnesylierung.» Um den Wirkmechanismus gegen das RS-Virus genauer zu charakterisieren, testeten die Forscher einen weiteren Farnesylierunghemmer namens Tipifarnib und verglichen die Ergebnisse. «Tipifarnib wirkt nicht gegen RSV», sagt Haid. «Daraus konnten wir schliessen, dass die antivirale Wirkung von Lonafarnib vermutlich nicht auf der Hemmung der Farnesylierung beruht.»

Mit Hilfe der Kooperationspartner Prof. Anna Hirsch vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und Prof. Thomas Krey von der Universität zu Lübeck konnte das Team die molekulare Struktur des Virus-Wirkstoff-Komplexes aufklären. Lonafarnib bindet an das Fusionsprotein von RSV und verhindert so das Verschmelzen des Virus mit der Membran der Zielzelle. Dadurch können keine neuen Zellen infiziert werden. In Kooperation mit Kollegen in Frankreich konnte im Mausmodell eine Reduktion der Viruslast bereits nachgewiesen werden. «Oral verabreicht ist die benötigte Dosis von Lonafarnib allerdings sehr hoch, so dass wir auch Nebenwirkungen beobachtet haben», sagt Pietschmann. «Es ist denkbar, dass eine lokale Anwendung, beispielsweise per Inhalation, das Verhältnis zwischen Wirkung und Nebenwirkung verbessert. Dies muss in Nachfolgestudien sorgfältig geprüft werden.»

Drug Repurposing ermöglicht vereinfachte Zulassung
«Mit Lonafarnib haben wir einen interessanten Kandidaten für die Behandlung von RSV identifiziert», sagt Dr. Svenja Sake, die Erstautorin der Studie. «Weil das Mittel bereits alle klinischen Studien durchlaufen hat, wäre eine Zulassung für das neue Anwendungsgebiet deutlich einfacher, kostengünstiger und schneller als für einen komplett neuen Wirkstoff», fasst sie die Vorteile des Drug Repurposing zusammen. «Diese Studie ist ausserdem wieder ein tolles Beispiel für Teamwork, wie es in der Wissenschaft üblich ist», sagt Studienleiter Pietschmann. «Mit vielen der Kooperationspartner sind wir zum Beispiel im Exzellenzcluster RESIST vernetzt.»PS

  • Zur Originalpublikation
Sake SM, Zhang X et al.: Drug repurposing screen identifies lonafarnib as respiratory syncytial virus fusion protein inhibitor. Nature Communications volume 15, Article number: 1173 (2024).

Quelle: Twincore, Medienmitteilung vom 08.02.2024

Rosenbergstrasse 115
8212 Neuhausen am Rheinfall
Telefon: +41 52 675 51 74
info@docinside.ch
www.docinside.ch

Handelsregistereintrag
Firmenname: DOCINSIDE AG
UID: CHE-412.607.286

Über uns
Bankverbindung

Schaffhauser Kantonalbank
8200 Schaffhausen
IBAN: CH76 0078 2008 2797 0810 2

Mehrwertsteuer-Nummer
CHE-412.607.286

Kontakte

Dr. med. Adrian Müller
Betrieb und Inhalte
adrian.mueller@docinside.ch

Dr. med. Richard Altorfer
Inhalte und Redaktion
richard.altorfer@docinside.ch

Dr. med. Christine Mücke
Inhalte und Redaktion
christine.muecke@docinside.ch

Copyright © 2021 Alle Rechte vorbehalten.
Powered by Deep Impact / Spectra