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Studie zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit

Die Bevölkerung hat Anspruch auf einen rechtsgleichen, flächendeckenden und raschen Zugang zu Medikamenten. Es ist zentral, dass Innovationen unbürokratisch zum Patienten gelangen. Eine Innovation, die beim Patienten nicht ankommt, ist eine wertlose Innovation.

VIPS2.2.2022
Empirisch-normative Studie zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln im Bereich der Spezialitätenliste – Zusammenfassung & Interpretation

Der Zugang zu Medikamenten über die Spezialitätenliste SL ist in der Schweiz unbefriedigend, gewisse Therapiemöglichkeiten stehen nicht zeitnah zur Verfügung. Patientinnen und Patienten müssen teilweise monatelang oft sogar jahrelang auf die Vergütung von Therapien warten. Die Schweiz steht hier im Vergleich zum Ausland schlecht da. So haben zum Beispiel unsere Ärzte verglichen mit Deutschland weniger als die Hälfte der neusten Therapiemöglichkeiten zur Verfügung – mit verheerenden Auswirkungen für die betroffenen Patienten. Der Zugang des Patienten zu innovativen Therapien darf nicht durch schwerfällige Vergütungsprozesse verschleppt werden.

Ziel ist die Aufnahme des Medikamentes auf der Spezialitätenliste und damit der Zugang zur Therapie ab Tag 1 der Swissmedic Marktzulassung.

Wirtschaftlichkeitsprüfung
Damit ein Arzneimittel auf die Spezialitätenliste (SL) aufgenommen wird, muss es die sogenannten WZW-Kriterien erfüllen, also wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Diese WZW-Konformität wird vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) periodisch überprüft. Bei Neuaufnahmen und der periodischen Überprüfung steht in der Regel die Beurteilung des Wirtschaftlichkeitskriteriums im Zentrum. Ist der Preis eines Arzneimittels gestützt auf den Auslandpreisvergleich (APV) und den therapeutischen Quervergleich (TQV) nicht mehr wirtschaftlich, verfügt das BAG eine Preissenkung. Von 2017 bis 2019 konnten durch diese periodischen Überprüfungen insgesamt über 450 Millionen Franken eingespart werden.

In den letzten Jahren hat sich der Druck auf die Medikamentenpreise in der Schweiz massiv erhöht. Dieser Preisdruck manifestiert sich sowohl bei Gesuchen um Neuaufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste als auch bei der periodischen Überprüfung der Aufnahmebedingungen (WZW-Kriterien). Durch die undifferenzierte Preisregulierung müssen Patientinnen, Patienten und Leistungserbringer drastische Einschränkungen bei Versorgungssicherheit und -qualität in Kauf nehmen. Denn Unternehmen sind gezwungen, ihre Produktionen ins Ausland zu verlagern, Anbieter werden aus dem Markt gedrängt. In der Folge gibt es oft eine Monopolisierung auf wenige Produktionsstandorte. Investitionen in Weiterentwicklungen von bewährten Produkten werden extrem erschwert und es kommt zu einer Ausdünnung des Angebots.

Die Kosten dürfen nicht zulasten der medizinischen Leistung gedrückt werden. Die optimale Versorgung für die Patienten darf nicht einer undurchdachten «Kostengünstigkeit» zum Opfer fallen. Therapie-vorenthaltungen, Therapieverzögerungen und Therapieunterbrüche sind unter allen Umständen zu verhindern – es geht um nichts weniger als die Gesundheit des Patienten.

Die unbefriedigende Situation rund um den Zugang der Patienten zu den Medikamenten in der Schweiz hat die vips dazu bewogen, die Ursachen näher zu untersuchen. So hat sie der renommierten Universität St. Gallen (HSG) den Auftrag für eine Studie erteilt, welche die Praxis des BAG im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung bei Neuaufnahmegesuchen und periodischen Überprüfungen von Medikamenten untersucht. Dabei soll insbesondere auch eruiert werden, ob die Verwaltungspraxis pflichtgemäss ausgeübt wird.

Die Studienergebnisse weisen auf eine grosse Unzufriedenheit der Branche in Bezug auf die Verwaltungspraxis im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung hin.

Den grössten Änderungsbedarf verorten die Studienteilnehmer bei der Durchführung des TQV. Vereinzelt wird gar gefordert, den TQV abzuschaffen. Es zeigt sich, dass die Preisbildung mittels APV und TQV bei gewissen Produktkategorien an ihre Grenzen stösst. Ob der heute geltende Preisbildungsmechanismus noch sachgerecht ist, muss weitergehend geprüft werden.

Preisermittlung
Zur Preisermittlung zieht das BAG in einem therapeutischen Quervergleich (TQV) zunächst die Behandlungskosten bereits zugelassener Arzneimittel für die Behandlung derselben Krankheit heran. Daraufhin wird der Auslandpreisvergleich (APV) durchgeführt. Im Preisvergleich mit dem Ausland werden Länder berücksichtigt, die mit der Schweiz wirtschaftlich vergleichbar sind. Der Bundesrat hat per Anfang März 2017 über Verordnungsänderungen ein neues Preisbildungssystem in Kraft gesetzt. Neben diversen kleinen Änderungen hat er entschieden, dass neu sowohl bei der Erstaufnahme von neuen Medikamenten als auch bei den dreijährlichen Preisüberprüfungen, Indikationserweiterungen und Patentablauf APV und TQV immer gleich gewichtet werden. Zuvor war der APV bei der dreijährlichen Preisüberprüfung höher gewichtet als der TQV.

Aus Sicht der Branche fehlt es an einer klaren und einheitlichen Verwaltungspraxis. Die Studienteilnehmer beurteilen die Verwaltungspraxis oft als inkonsistent und nicht vorhersehbar – zum Teil wird diese gar als willkürlich bezeichnet. Die Verwaltung verfügt über einen zu grossen Beurteilungs- und Ermessensspielraum, was mitunter auch auf unklare, rechtliche Vorgaben zurückzuführen ist.

Schliesslich hat sich auch herauskristallisiert, dass das BAG seine Spielräume nur zur einseitigen Förderung des Kostendämpfungsziels nutzt, ohne das Versorgungs- und das Qualitäts- / Nutzenziel angemessen zu berücksichtigen. Die damit einhergehenden Regulierungsfolgen führen wiederum zu Kostensteigerungen. Es stellt sich daher die Frage, ob die Verwaltung durch ihre Praxis die einschlägigen Regelungsziele des KVG ausreichend adressiert.

Was die rechtliche Ebene betrifft, so ergibt die Analyse der Rechtsprechung, dass das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht die erstinstanzlichen Entscheide des BAG in weiten Teilen schützen. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass die Entscheide der Behörde als mehrheitlich sachgerechte Konkretisierung des Rechts anzusehen sind, da die Gerichte immer nur Einzelfallbeurteilungen vornehmen. Die Gerichte verschärfen die unhaltbare Situation des verzögerten Patientenzugangs noch, anstatt sie zu entschärfen und das Problem zu lösen. Es entsteht der Eindruck, als berücksichtigt auch die Judikative primär das Kostendämpfungsziel.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die heutige Regulierung und Verwaltungspraxis versorgungs- und gesundheitspolitische Interessen unzureichend adressiert. Die derzeitigen Entwicklungen laufen dem Kostendämpfungsziel mitunter sogar zuwider.

Aus den Studienergebnissen ergeben sich spezifische Lösungsansätze und Forderungen – so z.B. eine ausgewogene Ausübung der Verwaltungspraxis mit Blick auf Qualität, Versorgungssicherheit und Kostendämpfung, nachvollziehbare und transparente Regeln mit Blick auf die Umsetzung des therapeutischen Quervergleichs zur Erhöhung der Rechts- und Planungssicherheit, Verlässlichkeit und Erhöhung der Transparenz des Preisfindungsprozesses, keine Verschleppungsprozesse – d.h. Zugang zur Therapie ab Tag 1 der Swissmedic Zulassung – sowie die Sicherheit, dass die 4 Ebenen Gesetz, Verordnung, Handbuch und Rundschreiben untereinander widerspruchsfrei sind.

Zur Studie
Interessierte haben die Möglichkeit, den gesamten Studienbericht über die Forschungsdatenbank der Universität St. Gallen einzusehen.

Quelle: Pressemitteilung der VIPS, 1.2.2022

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