Home/SynNeurGe-Forschungskriterien: Eine neue biologische Klassifikation der Parkinson-Krankheit

SynNeurGe-Forschungskriterien: Eine neue biologische Klassifikation der Parkinson-Krankheit

In einer aktuellen Publikation schlagen deutsche Parkinsonforscher eine biologisch-basierte, dreiteilige Klassifikation für die Parkinson-Krankheit vor, denn die bisherige klinische Einteilung wird dem heutigen Wissen über die komplexen Pathomechanismen und die biologische Heterogenität nicht mehr gerecht. Gerade für die Entwicklung krankheitsmodifizierender bzw. kausaler Therapien sei nach Ansicht des Autorenteams eine exakte Klassifizierung und Stratifizierung essenziell.

DGN27.1.20242"
Die Parkinson-Krankheit ist bislang nicht heilbar, aber es ist inzwischen eine relativ gute symptomatische Behandlung möglich (von Medikamenten bis hin zur tiefen Hirnstimulation) – jedoch gibt es noch keine kausale Therapie.

Bisher: Einteilung anhand klinischer Kriterien
Die Diagnose erfolgt anhand klinischer Merkmale, d. h. dem Vorliegen typischer motorischer Symptome, ergänzt durch die MRT-Bildgebung des Gehirns. Auch die Einteilung verschiedener Parkinson-Formen erfolgt in erster Linie anhand klinischer Kriterien. Eine Besonderheit der Parkinson-Krankheit ist die sogenannte Prodromalphase, d. h. Frühsymptome (Prodromi) können Jahrzehnte vor der späteren Diagnose schon auftreten. Allerdings können in der Prodromalphase und im Frühstadium die Parkinson-Krankheit und verwandte Entitäten («Synucleinopathien») oft nur schwer voneinander unterschieden werden. Den Synucleinopathien gemeinsam sind pathologische Ablagerungen des Proteins α-Synuclein in bestimmten Hirnregionen. Diese α-Synuclein-Aggregationen in den Nervenzellen entstehen aufgrund einer fehlerhaften molekularen Proteinstruktur (räumliche Fehlfaltung) – es bilden sich zunächst Fibrillen und Filamente, die dann verklumpen und zelltoxische Wirkung haben. Meistens sind diese Aggregate als Lewy-Körperchen histologisch im Gewebe nachweisbar. Betroffen sind v. a. dopaminproduzierende Neuronen, durch deren Untergang bzw. den daraus resultierenden Dopaminmangel entsteht dann die Parkinsonsymptomatik.

Es sind verschiedene Genmutationen bekannt (Parkinson-Gene), die aber nur eine kleine Zahl der Parkinson-Krankheitsfälle direkt verursachen; außerdem gibt es genetische Faktoren (sog. Risikovarianten), die zu einer erhöhten Krankheitsdisposition führen. Bei den sporadischen und den genetischen Parkinson-Formen sind die prinzipiellem Pathomechanismen die gleichen; es sind aber inzwischen aber auch Parkinson-Formen ohne Lewy-Körperchen bekannt.

Die Forschung macht seit Jahren immer größere Fortschritte bei der Aufklärung der kausalen Parkinson-Pathomechanismen und deren komplexen Zusammenspiel, so dass man hofft, in den nächsten zehn Jahren Therapien einsetzen zu können, die an den molekularen Ursachen ansetzen.

Neues biologisches «SynNeurGe»-System
Die Fortschritte in der Entwicklung sensitiver und spezifischer in-vivo-Biomarker für das Vorhandensein der α-Synuclein-Pathologie haben die Parkinson-Forschung jedoch an einen kritischen Punkt gebracht, an dem eine Verschiebung der weitgehend klinisch basierten Diagnoseansätze zu einer Betonung der biologischen Grundlagen der Krankheit notwendig ist, so die Autoren des in «Lancet Neurology» veröffentlichten Artikels.

Das neue «SynNeurGe»-System soll ermöglichen, die molekularen Grundlagen der Parkinson-Krankheit bereits vor dem Auftreten von Symptomen zu definieren, identifizieren und gezielt therapeutisch anzugehen. Es umfasst drei Hauptkomponenten:
  1. die «Parkinson-Typ Synukleinopathie», d.h. Anwesenheit oder Abwesenheit von pathologischem α-Synuclein (S) in Geweben oder im Liquor,
  2. Hinweise auf eine Parkinson-assoziierte Neurodegeneration (N), die durch spezifische neurobildgebende Verfahren definiert wird, und
  3. der Nachweis von Parkinson-spezifischen pathogenen Genvarianten (G), die eine Parkinson-Krankheit verursachen oder stark dazu prädisponieren.

Diese biologische «SynNeurGe» bzw. S-N-G-Klassifikation wird in Verbindung gebracht mit einem klinischen Syndrom, das durch ein hochspezifisches Merkmal oder mehrere weniger spezifische Merkmale definiert ist.

Dieser Übergang von einer rein klinisch basierten Diagnose hin zu einer biologischen Klassifikation sei unerlässlich für die nächste Phase von Grundlagen- und klinischen Forschungsstudien und bringe die Forschung näher an die für die Entwicklung klinisch bedeutsamer krankheitsmodifizierender Therapien erforderliche Präzisionsmedizin, so das Autorenteam. So werde dieses Klassifikationssystem als Grundlage für zukünftige biomarkerbasierte Subgruppen- und Staging-Systeme dienen, welche die Implementierung von Präzisionsmedizinansätzen zur Krankheitsmodifikation ermöglichen. Denn nur, wenn in künftigen Studien zu den verschiedenen Parkinson-Formen bzw. Synucleinopathien eine exakte Definition bzw. Stratifizierung der untersuchten Kohorten erfolgt, können neue Medikamente, die an unterschiedlichen molekularen Mechanismen ansetzen, valide auf ihre Wirksamkeit untersucht werden (z. B. sollten an PK-Betroffenen ohne Lewy-Körperchen keine Therapiestrategie getestet werden, die an Lewy-Körperchen ansetzt).

«Der aktuelle Forschungsvorschlag ist der erste Schritt in einem entscheidenden Prozess, um die Parkinson-Forschung von einem rein klinischen Ansatz hin zu einem biologischen Ansatz zu bewegen – was die Hoffnung auf die Entwicklung von krankheitsmodifizierenden Therapien weiter stärkt», erläutert Prof. Höglinger, München. Wie der Experte allerdings betont, werden diese Kriterien vorerst ausschließlich für die Forschung vorgeschlagen.PS

  • Zur Originalpublikation
Günter U, Höglinger MD et al.: A biological classification of Parkinson's disease: the SynNeurGe research diagnostic criteria. The Lancet Neurology 2024; 23;(2): 191-204.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Medienmitteilung vom 23.01.2024

Rosenbergstrasse 115
8212 Neuhausen am Rheinfall
Telefon: +41 52 675 51 74
info@docinside.ch
www.docinside.ch

Handelsregistereintrag
Firmenname: DOCINSIDE AG
UID: CHE-412.607.286

Über uns
Bankverbindung

Schaffhauser Kantonalbank
8200 Schaffhausen
IBAN: CH76 0078 2008 2797 0810 2

Mehrwertsteuer-Nummer
CHE-412.607.286

Kontakte

Dr. med. Adrian Müller
Betrieb und Inhalte
adrian.mueller@docinside.ch

Dr. med. Richard Altorfer
Inhalte und Redaktion
richard.altorfer@docinside.ch

Dr. med. Christine Mücke
Inhalte und Redaktion
christine.muecke@docinside.ch

Copyright © 2021 Alle Rechte vorbehalten.
Powered by Deep Impact / Spectra