Taurin kann nicht als Biomarker im Blut für das Altern verwendet werden. Zu diesem Fazit kommen Forschende des Nationalen Gesundheitsinstituts in Baltimore (USA).
Ihre in «
Science» publizierten Ergebnisse widersprechen einer vor zwei Jahren veröffentlichten
Studie, wonach der Tauringehalt im Blut mit dem Alter bei Tieren und Menschen abnimmt.
Taurin als vermeintliches Lebenselixir
2023 weckten Singh
et al. Hoffnungen auf eine wirksame Anti-Aging-Therapie: Taurin könnte sich als «Lebenselixir» herausstellen, sagte damals der Studienleiter
Vijay Yadav – und entfachte damit einen neuen
Hype um die Animosäure als Nahrungsergänzungsmittel.
Die Ergebnisse klangen vielversprechend: Die mittlere Lebensdauer von mit Taurin gefütterten Mäusen stieg um 10 bis 12 %, die Lebenserwartung im Alter von 28 Monaten sogar um etwa 18 bis 25 %.
Allerdings wiesen sämtliche Einzelstudien methodische Einschränkungen auf, darunter «unklare Auswahl der Datensätze, teilweise fehlende Randomisierung, kleine Fallzahlen», so Prof. Dr. Hanno Ulmer von der Medizinischen Universität Innsbruck gegenüber dem
Science Media Center.
Unterschiede im Studiendesign
Im Vergleich zu der vorangegangenen Studie analysierten die Forschenden in der aktuellen Studie nicht nur Daten von Serumproben im Querschnitt, sondern auch im Längsschnitt: Die Taurinkonzentration im Blut wurde nicht nur zu einem Zeitpunkt gemessen und dann einer Altersgruppe zugeordneten, sondern im Laufe der Zeit bei einzelnen Individuen mehrmals.
Hierfür verwendeten sie Daten aus drei humanen Kohorten mit insgesamt 973 Teilnehmenden sowie Daten von Blutproben von Rhesusaffen und Mäusen beiderlei Geschlechts.
Widersprüchliche Ergebnisse
Die Forschenden aus Baltimore stellten fest, dass das zirkulierende Taurin mit dem Alter bei gesunden Individuen nicht abnimmt, sondern sogar steigt oder unverändert bleibt.
Ausserdem korrelierten andere Faktoren, wie die Ernährung, das Geschlecht und die Tierart, stärker mit einem bestimmten Taurinspiegel als das Alter.
Die Ergebnisse zeigten auch, dass es keinen klaren Zusammenhang zwischen Taurin und funktionellen Gesundheitsindikatoren wie Muskelkraft und Körpergewicht gab, die Richtung des Zusammenhangs war je nach Kontext und Tierart unterschiedlich.
Dies widerspricht der bisherigen Hypothese, dass die Taurinkonzentration im Alter abnehme und Alterungsprozesse begünstige.
Taurin-Supplementierung im Alter sinnvoll?
Als Biomarker für primäres Altern taugt Taurin demnach nicht. Doch kann die Einnahme von Taurin dennoch einen positiven Effekt auf den Alterungsprozess haben?
Hierzu gibt die Studie keine endgültige Antwort, sagt Prof. Dr. Krasimira Aleksandrova vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Bremen. Vielmehr wirft sie weitere Fragen auf:
«Ist diese Widersprüchlichkeit auf die Komplexität der biochemischen Prozesse zurückzuführen, die miteinander interagieren? Oder: Gibt es andere Einflussfaktoren, die besser gemessen und verstanden werden müssen, wie etwa die tägliche Ernährung und die Bewegungsgewohnheiten?» Prof. Dr. Krasimira Aleksandrova, BIPS Bremen.
Zudem könnten hohe Taurinmengen in Kombination mit Koffein schädlich sein, insbesondere bei jungen Menschen, so die Forscherin.
Prof. Dr. Henning Wackerhage von der Technischen Universität (TU) München präzisiert: «Die
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bezeichnet eine Taurinsupplementation von sechs Gramm pro Tag als einen ‚beobachteten, sicheren Wert‘». Zur Einordnung: Eine Dose Energy-Drink mit 250 Mililitern enthält etwa 1 Gramm Taurin.
Aktuell läuft an der TU München eine randomisierte TauAge-Kontrollstudie. Ende 2026 sollen erste Ergebnisse vorliegen. Dann wird sich zeigen, ob eine Taurinsupplementation von vier Gramm pro Tag über ein halbes Jahr im Vergleich zu Placebo das Altern beim Menschen verlangsamt und wie sich Taurinsupplementation auf die Gesundheit und die körperliche Fitness auswirkt.