Bei einem ischämischen Schlaganfall muss die Blutversorgung des betroffenen Hirnareals möglichst schnell wiederhergestellt werden, damit es nicht zu bleibenden Schäden kommt («time is brain»). Die Behandlung besteht meist in einer medikamentösen intravenösen Thrombolyse, die in einem Zeitfenster von 4,5 Stunden erfolgen sollte. Es gibt Hinweise darauf, dass vorbestehende zerebrale Mikroblutungen (CMB) mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer grösseren intrazerebralen Blutung (ICB) bei der Lysetherapie assoziiert sind.
Subanalyse der WAKE-UP-Studie
Nun wurde eine deutsche Studie publiziert, die untersuchte, ob diese Mikroblutungen das Behandlungsergebnis der Thrombolyse beeinflussen [1]. Dabei handelt es sich um eine präspezifizierte Subanalyse der randomisierten, kontrollierten, multizentrischen WAKE-UP-Studie [2]. Die WAKE-UP-Studie hatte (2012-2017) Nutzen und Sicherheit der Thrombolyse im erweiterten Zeitfenster bzw. bei unbekanntem Zeitpunkt des Symptombeginns (z. B. im Schlaf) bei MRT-basiert selektierten Patienten untersucht. Die Teilnehmenden wurden randomisiert und erhielten entweder eine i. v. Thrombolyse (mit Alteplase) oder Placebo. Der CMB-Status wurde erst nach Komplettierung der Studie analysiert, verblindet hinsichtlich klinischer Informationen. Endpunkte waren ein gutes funktionelles Outcome nach 90 Tagen – definiert durch einen mRS-Score ≤1 (modifizierte Rankin-Skala) sowie symptomatische ICBs 22 bis 36 Stunden nach der Lysetherapie gemäss den NINDS-Kriterien (National Institute of Neurological Disorders and Stroke).
Kein siginifikanter Anstieg des ICB-Risikos
In der Subanalyse konnten 459/503 (91,3%) der Teilnehmenden der WAKE-UP-Studie ausgewertet werden (63% Männer). 98/459 (21,4%) hatten mindestens eine Mikroblutung in der initialen Bildgebung, 45 (9,8%) hatten eine, 37 (8,1%) hatten zwei bis vier und 16 (3,5%) hatten fünf oder mehr CMBs. Der Nachweis von Mikroblutungen ging mit einem nicht-signifikanten Anstieg des ICB-Risikos einher (11,2 % versus 4,2%, adjustierte OR 2,32; p=0,052), jedoch gab es keinen Effekt im Hinblick auf das funktionelle 90-Tages-Outcome (einen mRS-Score ≤1 hatten 45,8 % versus 50,7%; p=0,955) und keine Interaktion des Nachweises von CMBs mit dem Therapieeffekt der Thrombolyse. Insgesamt hatte die Lyse-Gruppe ein signifikant besseres funktionelles Outcome: einen mRS-Score ≤1 hatten 54,6 % der lysierten Patienten versus 44,6 % der Placebogruppe (adj. OR 1,61; p=0,022).
Frühzeitiger Behandlungsbeginn bleibt entscheidend
«In dieser Subgruppenanalyse konnten wir bei ischämischen Schlaganfällen mit unbekanntem Zeitpunkt des Symptombeginns und begleitenden zerebralen Mikroblutungen keinen Hinweis auf einen verminderten Behandlungseffekt der intravenösen Thrombolyse finden, auch wenn das Blutungsrisiko beim Vorliegen von Mikroblutungen etwas höher war», fasst Prof. Dr. med. Christian Gerloff, Präsident der DGN und Letztautor der WAKE-UP-Studie, zusammen. «Initial vorhandene Mikroblutungen stellen also bei dieser Konstellation keine Kontraindikation für eine Lyse dar – bei der Aufklärung der Betroffenen sollte die Situation jedoch besprochen werden.»
«Der möglichst frühzeitige Beginn einer Thrombolysetherapie bleibt für den Therapieerfolg essenziell. Es ist wichtig zu wissen, dass zerebrale Mikroblutungen nicht grundsätzlich eine Kontraindikation der Lyse darstellen», betont auch Prof. Dr. med. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.PS