Darmkrebs ist weltweit die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Wird er frühzeitig erkannt, bestehen gute Heilungschancen. Doch die Koloskopie – der bisherige Goldstandard – ist kostenintensiv und für viele Betroffene unangenehm, was häufig zu Verzögerungen in der Diagnose führt.
Eine Forschungsgruppe der Universität Genf (UNIGE) hat nun einen entscheidenden Schritt gemacht: Mithilfe von Algorithmen des maschinellen Lernens erstellte sie erstmals einen umfassenden Katalog sämtlicher bakterieller Unterarten des menschlichen Darmmikrobioms. Anhand dieses Verzeichnisses lässt sich Darmkrebs aus einfachen Stuhlproben feststellen – so die Hoffnung.
Präzision nahe der Koloskopie
Der erste Schritt bestand darin, enorme Datenmengen zu analysieren. «Als Bioinformatiker bestand die Herausforderung darin, eine innovative Methode zur Auswertung dieser Massendaten zu entwickeln», erklärt Matija Trickovic, Doktorand im Labor von Mirko Trajkovski und Erstautor der Studie in einer
Medienmitteilung.
Durch die Kombination des bakteriellen Katalogs mit klinischen Daten entwickelten die Forschenden ein Modell, das Darmkrebs mit einer Genauigkeit von 90 Prozent vorhersagen kann. Zum Vergleich: Die Koloskopie erreicht eine Präzision von 94 Prozent – andere nicht-invasive Verfahren liegen deutlich darunter.
«Wir haben den Fokus auf eine Zwischenstufe des Mikrobioms gelegt: die bakteriellen Unterarten», erläutert Studienleiter Mirko Trajkovski, Professor am Département de physiologie cellulaire et métabolisme und am Centre du diabète der medizinischen Fakultät der UNIGE. «Diese Ebene ist spezifisch genug, um funktionelle Unterschiede zwischen Bakterien und deren Beitrag zu Krankheiten wie Krebs zu erfassen, zugleich aber allgemein genug, um die Veränderungen populationsübergreifend zu erkennen.»
Perspektive: Routine-Screening
Der nächste Schritt ist ein klinischer Versuch in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Genf (HUG), um die Genauigkeit der Methode in Bezug auf Tumorstadien und Läsionen zu überprüfen. Ziel ist es, die Mikrobiom-Analyse als Routineverfahren für das Screening zu etablieren – während Koloskopien künftig vor allem für Verdachtsfälle vorbehalten wären.
Die Forschenden gehen davon aus, dass ihr Ansatz weit über Darmkrebs hinausgehen könnte: «Mit derselben Methode könnten nicht-invasive Diagnosetools für eine Vielzahl von Erkrankungen auf der Grundlage einer einzigen Analyse der Mikrobiota entwickelt werden», schliesst Mirko Trajkovski.