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Welche Rolle spielen Hefepilze als Auslöser veränderter Immunreaktionen bei chronischen Darmentzündungen?

Chronischen Darmentzündungen liegt eine überschiessende oder fehlgeleitete Entzündungsreaktion zugrunde. Fachleute gehen davon aus, dass dabei das Immunsystem fälschlicherweise auch auf Mikroorganismen im Darm reagiert, die im gesunden Zustand keine entzündliche Immunreaktion hervorrufen. Aber welche Mikroorganismen diese Immunantwort auslösen und wie die Immunzellen genau reagieren, ist bislang weitestgehend unbekannt.

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Kürzlich haben Forscher des Exzellenzclusters Precision Medicine in Chronic Inflammation (PMI) herausgefunden, dass Hefepilze hierbei eine wichtige Rolle spielen könnten.

Gestörte Interaktion bei Morbus Crohn
Das Mikrobiom besteht überwiegend aus Viren und Bakterien, aber zu einem geringeren Teil auch aus Pilzen. Die Mikroorganismen leben in Symbiose mit dem menschlichen Organismus und sind essenziell für seine gesunde Funktion. Das Immunsystem hat die wichtige und zugleich schwierige Aufgabe mit dem Mikrobiom zu interagieren, d.h. die dort lebenden Mikroben zu tolerieren aber sie gleichzeitig auch in Schach zu halten. Bei der chronischen Darmentzündungen Morbus Crohn ist jedoch nach aktuellem Forschungsstand diese Interaktion gestört: Hier reagieren die Immunzellen zu stark auf bestimmte Bestandteile im Mikrobiom – es kommt zu immer wieder aufflammenden Entzündungen im Darm. Die Betroffenen leiden unter Schmerzen, Durchfall, Fieber und weiteren Symptomen.

Bisher wenig beachtet: Hefepilze als Entzündungstrigger
Eine wichtige Rolle bei der gestörten Immuntoleranz bei Morbus Crohn spielen T-Zellen. «Wir wollten herausfinden, welche Mikroben bei Morbus Crohn eine veränderte T-Zellreaktion auslösen», erklärt die Erstautorin der Arbeit, Gabriela Rios Martini.

Dazu hat das Team sich die Reaktion bestimmter T-Zellen auf verschiedene Mikroben in Blut- und Gewebeproben von Patienten im Vergleich zu gesunden Menschen angesehen. «Zuerst haben wir die Reaktion auf bestimmte Bakterien untersucht, da diese einen grossen Teil des Mikrobioms ausmachen, doch hier konnten wir mit den bislang untersuchten Spezies keine Unterschiede zwischen Erkrankten und Gesunden feststellen», so Rios Martini weiter. «Dann haben wir uns aber die T-Zellreaktionen auf Hefepilze, wie verschiedene Candida oder Saccharomyces Spezies, angesehen und dort überraschend eine massiv verstärkte T-Zell-Reaktion bei Morbus Crohn-Patienten festgestellt.» Untersucht hatten die Forscher die Reaktion auf Hefepilze, die Teil des natürlichen, gesunden Mikrobioms sind sowie auf Hefepilze, die vor allem über die Nahrung in den Darm gelangen.

Kreuzreaktivität: T-Zellen reagieren auf viele verschiedene Hefepilze
Um mehr über die funktionellen Eigenschaften der T-Zellen zu erfahren und auch die T-Zell-Rezeptoren zu untersuchen, haben die Forscher die gegen die Hefepilze reagierenden T-Zellen sequenziert. Bacher und ihr Team haben so festgestellt, dass bei Erkrankten vor allem T-Zellen vorkommen, deren T-Zell-Rezeptoren gegen viele verschiedene Candida und Saccharomyces Spezies reagieren können. «Offenbar erkennen die T-Zellen spezifisch einen bestimmten Teil in diesen verwandten Hefepilzen, der in vielen der untersuchten Spezies vorkommt», erklärt die federführende Senior-Autorin Professorin Petra Bacher. «Das bedeutet, dass die T-Zellen nicht nur auf eine bestimmte Hefespezies reagieren, sondern durch viele verschiedene Candida und Saccharomyces Hefen aktiviert werden können», so Bacher weiter. In dieser Kreuzreaktivität sehen Bacher und ihr Team auch eine Erklärung, warum die Hefe-spezifischen T-Zellen zur chronischen Entzündungsreaktion beitragen könnten.

«Insgesamt deuten unsere Daten darauf hin, dass nach einer anfänglichen T-Zell-Reaktion gegen Hefepilze der wiederholte Kontakt mit Antigenen, die in mehreren Hefepilzen vorkommen, zur Aktivierung und Vermehrung der kreuzreaktiven T-Zellen führt. Die Immunreaktion wird also vermutlich immer wieder ausgelöst, was wahrscheinlich auch zur Chronifizierung der Entzündung beiträgt», so Bacher. Dabei könnten neben den im Darm lebenden, sogenannten kommensalen Hefepilzen auch die täglich aus der Nahrung aufgenommenen Hefen eine Rolle spielen.

Neue therapeutische Ansätze bei Morbus Crohn untersuchen
«Aus den Erkenntnissen ergeben sich auch mögliche neue therapeutische Ansätze», sagt Professor Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters PMI. «Die Erkenntnisse helfen uns dabei die Entstehungsmechanismen von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn besser zu verstehen. Hefepilze sind hierbei bislang viel zu wenig beachtet worden. Wir haben erstmals starke Hinweise für eine Beteiligung Hefe-reaktiver T-Zellen an der Entzündungsreaktion bei Morbus Crohn identifiziert. Nun sind weitere Untersuchungen erforderlich, um ihren direkten Beitrag zur Pathophysiologie der Krankheit zu bestimmen», so Schreiber.

In weiteren Studien wollen die Forscher nun untersuchen, wie sich der Verzicht auf Hefen in der Ernährung oder die Eliminierung der Hefepilze im Darm durch eine antifungale Therapie auswirkt. Ein anderer Ansatz wäre, gezielt die kreuzreaktiven Hefe-spezifischen T-Zellen durch zelluläre Therapien ausser Gefecht zu setzen. Diese weiterführenden Studien werden klären, ob potenzielle zukünftige Therapien, die direkt auf die Hefepilze im Darm oder auf die Hefe-spezifische T-Zellen abzielen, auch klinisch wirksam sind, so das Forscherteam.PS

  • Zur Originalpublikation
Martini, GR, Tikhonova E et al.: Selection of cross-reactive T cells by commensal and food-derived yeasts drives cytotoxic TH1 cell responses in Crohn’s disease. Nat Med (2023).

Quelle: Precision Medicine in Chronic Inflammation (PMI)/Pressemitteilung, 26.09.2023

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