Mehr als die Hälfte, rund 54 Prozent, der im Rahmen der Guck Hin-Studie befragten Jugendlichen berichteten über klinisch auffällige Angstsymptome wie die Sorge davor, was in Zukunft geschehen wird.
41 Prozent von ihnen berichteten über auffällige Depressionssymptome, etwa das Gefühl von Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit oder Schwermut. 37 Prozent der Jugendlichen gab eine verminderte Lebensqualität an, was sich häufig durch das Empfinden von Einsamkeit oder ein geringeres Erleben von Spass mit Freunden ausdrückt.
Dies sind einige Ergebnisse der ersten Befragung im Rahmen der GUCK-Hin Studie der Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität des Saarlandes, die die Auswirkungen externer Krisen und individueller Belastungsereignisse auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen untersucht.
«Die gegenwärtige Lebenssituation von Jugendlichen ist stark geprägt durch eine äusserst krisenreiche Zeit. Gerade in dieser Entwicklungsphase zum Erwachsenwerden haben sie per se schon eine Fülle an Herausforderungen und Aufgaben körperlicher und sozialer Art zu bewältigen. Unsere Studie zeigt, dass die Krisen einen erheblichen Einfluss auf die psychische Gesundheit der heutigen Generation von Jugendlichen haben», erklärt Professorin Tanja Michael, die die Studie leitet. Die zahlreichen Einschnitte und Beschränkungen durch die Corona-Pandemie in Form von Schulschliessungen oder Kontaktbeschränkungen wie auch der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine belasten das Leben und Erleben von Jugendlichen stark, wie sich aus den ersten Ergebnissen der Studie ablesen lässt. «In der Folge stiegen psychische Auffälligkeiten deutlich. Es kam zu einer relevanten Zunahme der Angst- und Depressionssymptome und einer Abnahme der Lebensqualität», berichtet die Psychologin.
Wichtig sei es nun, Massnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit zu ergreifen, die den Jugendlichen helfen, den durch die Krisen verursachten Stress zu bewältigen. «Ein wirksamer Schutzfaktor, der negative Auswirkungen der Krisenbelastungen auf die psychische Gesundheit und die Lebensqualität abschwächen kann, sind Selbstwirksamkeitsüberzeugungen: Darunter versteht man das Vertrauen, dass man Probleme, schwierige Situationen und anstrengende Aufgaben aus eigener Kraft lösen kann», erläutert Tanja Michael. Wie die Ergebnisse der ersten Befragung im Rahmen der Studie ergaben, berichteten Jugendliche mit geringen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zu 75 Prozent über eine verringerte Lebensqualität und wiesen zu 82 Prozent klinisch auffällige Angstsymptome sowie zu 73 Prozent klinisch auffällige Depressionssymptome auf. Im Gegensatz dazu gaben von den Jugendlichen mit hoher Selbstwirksamkeitsüberzeugung lediglich 17 Prozent eine verringerte Lebensqualität an, nur 30 Prozent von ihnen berichteten über klinisch auffällige Angstsymptome und 23 Prozent über klinisch auffällige Depressionssymptome.
Widerstandsfähigkeit der Jugendlichen stärken
«Die Ergebnisse unserer ersten Befragung zeigen, dass es innovative Konzepte braucht, um die Widerstandsfähigkeit der Jugendlichen zu stärken, damit sie den zusätzlichen Belastungen durch die Krisen gewachsen sind», sagt Tanja Michael. Sie sieht dabei insbesondere die Zusammenarbeit mit den Schulen als erfolgversprechend an. «Sie sind der Ort, in dem ein grosser Teil des Lebens und die soziale Entwicklung von Jugendlichen in Deutschland stattfindet. Es wäre daher positiv, die Schulen als Ort der Prävention psychischer Erkrankungen stärker in die Gesundheitsversorgung mit einzubeziehen», betont die Psychologin.
Die befragten Jugendlichen nahmen von den Krisen die Corona-Pandemie als stärksten Belastungsfaktor wahr. «Hier gaben 28 Prozent der befragten Jugendlichen an, äusserst belastet zu sein und 31 Prozent waren sehr belastet. Es folgten der Ukraine-Krieg und der Klimawandel. Bezogen auf den Ukraine-Krieg gaben 5 Prozent an, äusserst belastet zu sein und 22 Prozent waren sehr belastet, der Klimawandel belastete 2 Prozent äusserst und 15 Prozent der Jugendlichen sehr», schildert Tanja Michael die Ergebnisse.
«Wir konnten im Rahmen einer Mehrebenenanalyse zeigen, dass pandemie- und klimabedingte Belastungen mit stärkeren Depressions- und Angstgefühlen sowie geringerer gesundheitsbezogener Lebensqualität verknüpft sind. Kriegsbedingte Belastungen dagegen hängen mit grösserer Ängstlichkeit zusammen. Diese Zusammenhänge blieben auch nach Kontrolle aller sonstigen Einflüsse wie individuelle Lebensstressoren oder Selbstwirksamkeit bestehen», erläutert die Psychologin.
Die GUCK-Hin Studie
(kurz für Generation Ukraine-Krieg Covid-19 Klimawandel) ist eine der sehr wenigen Studien, die die psychische Gesundheit von Jugendlichen in Deutschland auch über das Ende der Pandemie hinaus beobachtet. Einzigartig ist die Studie im Hinblick darauf, dass die Belastung durch weitere aktuelle Krisen, ebenso wie individuelle Belastungsereignisse wie Konflikte innerhalb der Familien oder im Freundeskreis, psychische Symptomausprägungen und potenzielle Schutzfaktoren erfasst werden.
Die Studie untersucht daneben auch demografische Daten, potenzielle Schutzfaktoren wie die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Jugendlichen, den sozioökonomischen Status und das Interesse an und Vertrauen in die Politik. «Es handelt sich um eine längsschnittliche Untersuchung mit drei Erhebungszeitpunkten: 2022, 2023 und 2024. Die erste Befragung fand im Zeitraum von Juni bis Oktober 2022 an 58 weiterführenden Schulen des Saarlandes in den Klassenstufen sieben bis neun statt. Insgesamt nahmen 4001 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen zehn und 18 Jahren teil. Auch für die Erhebung 2023 haben erneut 57 weiterführende Schulen ihre Teilnahme zugesagt», erklärt Tanja Michael.PS
Krisen und Jugendliche in der Schweiz