Klinisch forschende Ärzte sind in der Schweiz mit grundlegenden Herausforderungen konfrontiert. Einerseits bedingt durch die knappen finanziellen Mittel, die für klinische Forschungsprojekte zur Verfügung stehen, anderseits aber auch durch die nur beschränkt zur Verfügung stehende Forschungszeit, insbesondere während der ärztlichen Weiterbildung. Das Förderprogramm «Young Talents in Clinical Research» (YTCR) der SAMW leistet einen wichtigen Beitrag, um diese Lücke zu schliessen (Quelle:
SAMW).
Dank der Zusprachen in der Höhe von je CHF 7000.- können in den unterstützten Forschungsprojekten geschützte Forschungszeiten («protected research time») für die Nachwuchsforscher finanziert werden. Dies erlaubt es, dass die Ärzte parallel zu ihrer Weiterbildung und ihrer klinischen Tätigkeit weiterhin über Zeit verfügen, um in den geförderten Projekten weiterforschen zu können.
Projekt 1: Forschung zur Reduktion von respiratorischen Viruserkrankungen beim Gesundheitspersonal sowie nosokomialen Infektionen
Dr. Tamara Dörr arbeitet seit August 2020 am Kantonsspital St.Gallen. Sie erhält den «beginner grant» im Zusammenhang mit der laufenden SURPRISE+ Kohortenstudie der Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene des Kantonsspitals St.Gallen: Um was geht es in dieser Studie? Wie die aktuelle Welle respiratorischer Infektionen zeigt, gewinnen nach Lockerung der COVID-Massnahmen klinisch relevante respiratorische Viren wie Influenza und RSV wieder an epidemiologischer Bedeutung. Während SARS-CoV-2 in deren Reihen als endemisches Virus eintritt, fehlen geeignete Surveillance-Instrumente zur Detektion und Differenzierung von (Co-)Infektionen, welche sowohl Gesundheitspersonal als auch Patientinnen und Patienten überproportional betreffen.
Im Rahmen der multizentrischen, prospektiven SURPRISE+ Kohortenstudie werden die klinischen und epidemiologischen Charakteristika dieser Virusinfektionen analysiert. Ziel ist die Identifikation geeigneter Surveillance-Instrumente. Mittels Ausbruchsfrüherkennung kann so ein Beitrag zur Reduktion von respiratorischen Viruserkrankungen beim Gesundheitspersonal sowie nosokomialen Infektionen geleistet werden.
Projekt 2: Die motorische Seite eines Neglects nach einem Schlaganfall
Einen «beginner grant» erhält auch Thomas Schneider. Der Assistenzarzt ist seit 2018 in der Klinik für Neurologie am KSSG tätig. Er wird mit dem Förderungsbeitrag im Rahmen eines Forschungsprojekts unterstützt, das zum Ziel hat, neue Verfahren für die Diagnostik motorischer Neglect-Formen nach einem Schlaganfall zu entwickeln.
Es ist allgemein bekannt, dass ein Schlaganfall zu einer Lähmung der gegenüberliegenden Körperhälfte führen kann. Weitgehend unbekannt ist hingegen, dass auch eine Störung der gerichteten Aufmerksamkeit zur gegenüberliegenden Seite, ein sogenannter Neglect, Bewegungseinschränkungen nach einem Schlaganfall verursachen kann. Unter einem motorischen Neglect versteht man dabei die Minderbenutzung der dem Schlaganfall gegenüberliegenden Körperseite, auch wenn diese nicht gelähmt ist, während beim Syndrom des prämotorischen Neglects Bewegungen in die dem Schlaganfall entgegengesetzten Richtung gestört sind. Obwohl diese motorischen Neglect-Formen die Alltagsfunktionalität von Patienten bedeutend einschränken und potentiell gut rehabilitiert werden können, werden sie häufig übersehen, weil verlässliche Untersuchungsmethoden sowohl im klinischen Alltag als auch in der Forschung fehlen.
Mit dem von der Gottfried und Julia Bangerter-Rhyner-Stiftung und der SAMW geförderten Projekt sollen deshalb neue Verfahren für die Diagnostik motorischer Neglect-Formen entwickelt und validiert werden. Hierzu werden Armbewegungen und das Gangbild von Patientinnen und Patienten nach einem Schlaganfall systematisch mit neuen, spezifisch für die Erkennung von motorischen Neglect-Formen entwickelten Ansätzen untersucht. Ziel ist es, dass aus dem Projekt Diagnoseinstrumente für den klinischen Alltag und die Forschung hervorgehen, welche zukünftig eine zuverlässige Erkennung von motorischen Einschränkungen infolge eines Neglects und damit auch deren gezielte Therapie ermöglichen werden.PS